Immer wieder hörten wir von Freunden und Verwandten, dass wir sie mal besuchen kommen sollten. Hierbei meinen wir nicht die Freunde, die eine Straße weiter oder im nächsten Ort wohnen. Wir hörten dies von Freunden, die "am anderen Ende" von Deutschland wohnen. Solch ein Besuch ist immer sehr zeit- und planungsintensiv. Also haben wir uns mal gedacht, einen ganzen Urlaub dafür zu "opfern". Das sollte also eine Reise quer durch Deutschland werden; über Freiberg - Leipzig - Magdeburg - Wittenberge - Bremen - Münster - Düsseldorf - Frankfurt/M - Heidelberg. Die einzelnen Etappen liegen so zwischen 100 und 400 Kilometer. Mit dieser Idee traten wir an einzelne Freunde und Verwandte heran. Alle waren begeistert und freuten sich, dass wir sie bald besuchen kommen. Zu diesem Zeitpunkt wollten wir noch mit unserem Familienauto Opel Vectra C fahren.
Im Frühjahr/Sommer haben wir uns Gedanken gemacht, wieder ein zweites Auto anzuschaffen. Unsere Tochter Nathalie hatte im Dezember 2018 die Prüfung zur Fahrerlaubnis bestanden und könnte die Fahrten zur Schule allein bewerkstelligen. Die Busverbindungen nach Freising sind nicht so, wie man das in der 11. bzw. 12. Klassenstufe bräuchte, wodurch Kerstin oft die Shuttlefahrten übernahm. Wenn Kerstin das Auto selbst brauchte, waren solche Taxi-Fahrten oft nicht machbar und Nathalie musste oft mehrere Stunden auf den nächsten Bus warten oder umständliche Wege mit alternative Verkehrsmittel in Kauf nehmen. Wir bräuchten also wieder ein zweites Auto, damit Nathalie ihre Fahrten von Kerstin unabhängig organisieren konnte.
Sollte es ein billiger gebrauchter Kleinwagen werden? Oder sollten wir einen neueren Mittelklassewagen kaufen? Unser Familienauto ist ja nun auch schon 12 Jahre alt und man macht sich so seine Gedanken über die anstehenden, potentiellen Reparaturen. Auf der anderen Seite liebäugelte ich schon lange mit einem E-Auto. Mein Nachbar fährt schon seit einigen Jahren E-Autos, ein E-Motorrad und E-Bikes. Mir waren diese Autos bisher zu teuer. Ein Blick ins Internet ergab, dass es (fast neue) E-Autos für 16 bis 20 Tausend Euro mit einer Reichweite von 300 - 400 Kilometer gab. Das schien mir bezahlbar und praxistauglich. Nach einem weiteren Beratungsgespräch beim Nachbarn und dann beim Autohändler stand es fest: Es sollte ein Renault Zoe werden. Warum wir uns für einen Renault Zoe entschieden, könnt Ihr hier nachlesen.
Am 4. Juli war es so weit und ich holte gegen 17 Uhr das Auto ab. Da ich von meinem Nachbarn wusste, dass man auch größere Strecken mit einem E-Auto fahren kann (er war zu einer beruflichen Weiterbildung nach Meißen gefahren), wollte ich es gleich am nächsten Tag ausprobieren. Ich fuhr also am nächsten Morgen nach Leipzig, um einen Tag später wieder zurück zu fahren. Die dabei gemachten Erfahrungen waren für mich überwältigend. Meine Reisegeschwindigkeit lag zwischen 90 und 110 km/h und somit brauchte ich für die gesamte Strecke 7 Stunden, inklusive Aufladen. Das ist erst einmal fast die doppelte Zeit gegenüber der Reisezeit mit einem Verbrenner. Man fließt mit den Bussen auf der rechten Fahrbahn mit, hört Musik oder verfolgt entspannt die Gespräche im Radio. Für jeden der schnell am Ziel sein möchte oder muss, ist ein E-Auto für die Langstrecke sicher keine Alternative. Natürlich könnte ich etwas schneller fahren (der Zoe fährt maximal 135 km/h), aber damit verringert sich die Reichweite und ich verbringe mehr Zeit an den Ladesäulen. Am Ende kommt man noch später an. Das alles hört sich sehr problematisch an, dennoch möchte ich diese Reisemöglichkeit nicht mehr missen. In Leipzig bin ich entspannt angekommen und für die ganze Strecke hin und zurück bezahlte ich 11 Euro für Ladestrom. Im Stadtverkehr halte ich ein E-Auto für "alternativlos". Durch den hohen Drehmoment bin ich oft schneller als andere Autos. Für die Langstrecke muss man es mögen. Das Verreisen mit dem E-Auto ist gegenüber dem Reisen mit dem Verbrenner ein völlig anderes Gefühl und benötigt auch eine andere Planung. Das unkomplizierte Tanken an Tankstellen ist mit einem E-Auto nicht möglich. Zum einen dauert das entsprechend lange (ca. zwei Stunden) und zum anderen kann das Tanken an der nächst besten Ladesäule sehr teuer werden. Das Laden sollte also gründlich vor Antritt der Fahrt geplant werden. Selbst wenn keine Zeit für eine Planung war, sollte man die Lademöglichkeiten in der näheren Umgebung mittels einer App sorgfältig sondieren. Nur so lassen sich Stromkosten von 11 Euro für die Fahrt nach Leipzig und zurück erreichen.
Was Tankstellen für Verbrennerautos sind, sind (öffentliche) Ladesäulen für E-Autos. Die in Deutschland bestehenden Ladesäulen werden von einzelnen Betreibern zur Verfügung gestellt, die sich wiederum zu sogenannten Betreiberverbunden zusammengeschlossen haben. Es gibt in Deutschland ca. 50 verschiedene Betreiberverbunde (2018), die ihre eigenen Preissysteme haben. Diese Verbunde ermöglichen auch das Laden für andere Verbunde über ein Roaming. Jetzt gibt es einzelne Verbunde, die variable Ladekosten haben (Plugsurfing, NewMotion, eins-E-Mobil). NewMotion ist dabei ein Extrembeispiel. Das ist zwar das größte Netz und mit dieser Karte kann man fast überall laden, jedoch zu sehr unterschiedlichen Preisen. Zum Beispiel kann man in der Nähe des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig (Audi Zentrum, Richard-Lehmann-Strasse 124) für 10,71 € pro Ladevorgang laden. Das macht dann bei einer Stunde Ladezeit ca. 0,54 € / kWh. Fährt man nur 300 Meter weiter (Parkplatz vor Mercedes Center, Richard-Lehmann-Straße 120), dann kann man mit der gleichen Karte kostenlos laden ;-).
| Ladekarte | Leistung | Tarif | Kosten pro kWh |
Bemerkung |
|---|---|---|---|---|
| NewMotion | 22 kW | 7,50 € / Ladung | 0,34 € (bei 60 min) |
bei Ladeleistung > 22 kW (min 60 min) ist das ein akzeptables Angebot |
| 0,13 € / min | 0,35 € | faires Angebot | ||
| Plugsurfing | 22 kW | 0,00 € / kW | 0,00 € | in FS Wippenhausener Str, in FS Savoyer Au |
| 0,39 € / kW + 0,013 € / min | 0,395 € (bei 60 min) |
Plugsurfing ist eher teuer gegenüber dem Wettbewerb | ||
| EinfachStromLaden (Maingau) | 22 kW | 0,35 € / kWh | 0,35 € | ab 4 h bezahlt man zusätzlich 10 Cent / min |
| eins-E-Mobil | 22 kW | 5,00 € / Ladevorgang | 0,25 € (bei 60 min) |
sinnvoll, wenn man mindesten 20 kWh laden kann |
| 1,00 € / Ladevorgang + 0,3094 € / kWh | 0,33 € (bei 60 min) |
faires Angebot |
Nun zurück zu unserer Reise. Mit den relativ kurzen Entfernungen zwischen den Etappenzielen sollte diese gesamte Urlaubsstrecke mit dem Zoe machbar sein. Das ist jetzt auch unser Plan, auch wenn Renault den Zoe offensichtlich nicht für Langstrecken konzipiert hat (niedrige Reisegeschwindigkeit, hohe Karosse). Auf unseren Reisen wollen wir die Ladepunkte so wählen, dass wir etwas von unserer Reise sehen und die schönen Landstriche von Deutschland kennenlernen können. Wir werden also fast ausschließlich auf der Landstraße fahren und zum Laden Sehenswürdigkeiten ansteuern. Frei nach der Devise: Der Weg ist das Ziel!
Ihr könnt hier verfolgen, was wir auf unserer Reise erleben werden. Viel Spaß beim Lesen.
Unser (geplante) Route durch Deutschland
Die ganze Route lässt sich auch mit Open-Route-Service anzeigen.